Unendlicher Unwahrscheinlichkeitsdrive?

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Wer hat sie in den vergangenen Wochen nicht gehört, die fantastischen Meldungen rund um den von Roger J. Shawyer entwickelten EM-Drive-Antrieb. Ein Antriebskonzept, dass gänzlich ohne „Treibstoff“ auskommen soll. Selbst erzeugte (aus Solarenergie oder gar der kosmischen Hintergrundstrahlung gewonnene) Mikrowellen sollen die Raumschiffe dereinst in Bewegung versetzen. Wie Ihr nicht? Kann sein, denn die Fachpresse hält sich ungewöhnlich deutlich zurück für eine Erkenntnis dieser Tragweite.

Viel ist darüber bereits gesagt worden und sieht man grob über die ganzen technischen Details, so wird schnell klar, dass es sich hierbei um ein sich geschlossenes System handelt, das „sich aus sich selbst“ antreiben würde. Ein solches Konzept, am ehesten als „Perpetuum Mobile“ zu bezeichnen, widerspricht in der Tat dem Impulserhaltungssatz, der grob vereinfacht besagt, dass der Gesamtimpuls in einem abgeschlossenen System konstant ist.

„Abgeschlossenes System“ bedeutet, dass das System keine Wechselwirkungen mit seiner Umgebung hat. Das wäre in etwa so, als würde man ein Auto, in dem man sitzt, dadurch in Bewegung setzen, dass man kräftig gegen das Armaturenbrett drückt, während man im Sitz sitzt und keinen Fuß außerhalb des Autos hat (nur um Klugscheißen abzufangen, die mir erklären, sie hätten auch schon mal ein Auto durch drücken auf Armaturenbrett angeschoben).

Nun ist dieser Vergleich zugegebenermaßen sehr weit hergeholt, beschreibt aber in der Tat gut das Problem, das dieser rein auf niederenergetischen Photonen basierender Antrieb hat. Denn der Magnetron, ein Mikrowellengenerator (durchaus handelsüblich – in jeder Küche zu finden) emittiert Mikrowellen innerhalb eines geschlossenen Raumes. Diese Mikrowellen „stoßen“ dabei kreuz und quer an die Innenwand dieses Raumes. Aufgrund der besonderen Form des Raumes soll aus diesen Stößen ein Vortrieb entstehen. Klingt nach Esoterik? Finde ich auch, aber wir sind ja offen für Neues!
Für einen „normalen“ Antrieb im Raum ohne Reibung müssen massebehaftete Teilchen ausgestoßen werden, das System muss also mit seiner Umgebung wechselwirken, um sich in Bewegung zu setzen.

Rein physikalisch kann man also sagen: Nimmt man die momentan bekannten Gesetze, ist es schlicht unmöglich.
Besonders wird das Ganze eigentlich nur deshalb, weil verschiedene eigentlich seriöse Quellen in Versuchen die Wirksamkeit des Konzepts bestätigt haben, ohne es dabei erklären zu können.

Von bisher nicht genauer untersuchten quantenmechanischen Effekten ist da die Rede und schließlich wird Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie angebracht, die eine Äquivalenz von Masse und Energie postuliert. So gesehen ist das natürlich nachvollziehbar. Jede Energie entspricht laut Einstein einer Masse. Ja, stimmt, aber in einem abgeschlossenen System? Da sind wir wieder oben angelangt, ohne Wechselwirkung mit der Umgebung? Das ändert rein gar nichts an der Verletzung des Impulserhaltungssatzes.

Kommen wir nun zum eigentlichen Thema:
Eine solche bahnbrechende Erkenntnis, die grundlegende Gesetze der Physik infrage stellt und eine neue Ära, ähnlich dem Bruch mit dem Ptolemäischen Weltbild, einleutet findet kaum Anklang in der Fachwelt? Warum?
Nun, zum einen weil die Experimente, gemessen an ihrer zu erwartenden Bedeutung, schlampig ausgeführt wurden.
Weil die wirklichen „Beweise“ noch immer auf sich warten lassen.
Weil entgegen den anderslautenden Aussagen die NASA das nicht bestätigt hat aber vor allem und insbesondere, weil der Ertrag an Schub im Verhältnis so unglaublich groß ist.

Das Verhältnis von Schub zu aufgewendeter Leistung in Watt beträgt im Experiment 5,3 Mikronewton/Watt. Das ist zunächst nicht beeindruckend – ist es doch! Denn nehmen wir an, das Behältnis wäre nicht dicht und die Mikrowellen könnten ähnlich einem Raketenantrieb ausströmen. Nach Einsteins Relativitätstheorie würden dies im Idealfall ein Schub-Leistungs-Verhältnis von etwa 0,33 Nanonewton/Watt bedeuten. Um bei der Autoanschiebemetapher zu bleiben: Wir würden unser Auto durch Druck auf Armaturenbrett nicht nur angeschoben bekommen, sondern das sogar ganze 17.000 mal besser, als wenn wir uns gegen die Straße abstützen.
Schlampig experimentiert und schlecht dokumentiert: ich will keinen Betrug unterstellen, aber derart bahnbrechende Erkenntnisse sollten schon professioneller präsentiert werden. Dann und dann auf jeden Fall wäre ich bereit, mein Weltbild neu zu definieren. Doch bis dahin bleibt es bei den Fakten und besagen: da ist den Experimentatoren wohl eher ein Fehler unterlaufen.
Mehr nicht!?
Eine Diskussion ist hier durchaus gewünscht, denn ich muss hier nicht richtig liegen. Ich verstehe es vielleicht auch einfach nicht.

Prototyp des EmDrive von 2007. | Copyright: Roger Shawyer, emdrive.com

Prototyp des EmDrive von 2007. | Copyright: Roger Shawyer, emdrive.com

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