Das Universum – Teil 1: Das Universum expandiert

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Eine korrekte chronologische Betrachtung der Geschichte unseres Universums müsste eigentlich beim Big Bang, dem Urknall beginnen, da hierzu aber einiges an noch zu definierendem Handwerkzeug nötig ist, soll das zu einem späteren Zeitpunkt thematisiert werden.

Was setzen wir voraus? Unser Universum ist groß, sehr groß, so unglaublich groß, dass jeder Versuch eines Vergleichs mit bekannten Skalen scheitert. Es ist alt, sehr alt, schätzungsweise 13,7 Milliarden Jahre und es ist strukturiert. Es besteht aus bekannter atomarer Materie (75% Wasserstoff, 23% Helium und 2 % schwerere Elemente), sowie unbekannter dunkler Materie, deren Masseanteil am Universum deutlich größer ist, als der unserer sichtbaren Materien. Die sichtbare Materie ist in Galaxiensuperclustern gebündelt, die wiederum aus Galaxienhaufen, die aus Galaxien bestehen. Etwa 100 Milliarden solcher Galaxien gibt es im beobachtbaren Universum. Jeder Galaxie besteht aus wiederum aus ca. 100 bis 400 Milliarden Sternen. Unsere Sonne ist einer davon. Verdeckt man in einer klaren Sternennacht mit ausgestrecktem Arm einen dunklen Bereich des Himmels mit seinem Daumen, deckt man in diesem Augenblick mit seinem Daumen etwa 100.000 Galaxien ab. Das Universum ist groß.

Als Edwin Hubble 1929 mit Hilfe des 2,5-Meter-Teleskops am Mount-Wilson-Observatory in Pasadena (Kalifornien) seine Beobachtungen anstellte, war diese Entdeckung ein Schock für die damalige Wissenschaft. Bis zu diesem Zeitpunkt ist von führenden Wissenschaftlern wie Einstein noch ein statisches, unveränderliches Universum postuliert worden. Einstein, dessen Theorien eigentlich kein statisches Universum zuließen, veränderte seine Gleichungen so, dass sie wieder mit seinen Vorstellungen konform gingen. Die Geschichte der kosmologischen Konstanten und Einsteins „größter Eselei“ ist sicherlich einen eigenen Text wert. Die Galaxien, die Hubble beobachten konnte, entfernten sich von uns und zwar umso schneller, je weiter sie von uns entfernt waren. Das beobachtete er, verstehen konnte er es aber nicht.

Dass sich alles von uns entfernt, ist zunächst ein wenig verwirrend. Stellt man sich eine klassische Explosion vor, so ergibt sich dieses Bild ausschließlich im Zentrum der Explosion. Von weiter draußen betrachtet, gäbe es stets Bereiche, die sich auf uns zu und andere, die sich von uns weg bewegen. Wie sollte das zu erklären sein? Nach dieser Beobachtung müssten wir uns genau im Zentrum einer zurückliegenden Explosion befinden.

Das grundlegende Problem dieser Betrachtungsweise liegt jedoch darin, dass unserer Position, also der Milchstraße, dem Sonnensystem und gar der Erde damit eine besondere Bedeutung zukäme. Das bedeutete ganz klar eine Asymmetrie im Universum. Aber bereits in der Astronomie der 20er Jahre Jahre gibt es keinen Beleg mehr für einen anthropozentrischen Erklärungsansatz mehr. Jeder dieser mit präkopernikanischem Denken behafteten Ideen stehen die Wissenschaftler seit Langen mit größter Skepsis gegenüber.

Einen möglichen Erklärungsansatz für Hubbles Beobachtungen liefert jedoch die von Albert Einstein entwickelte allgemeine Relativitätstheorie. Diese Theorie gibt uns Gleichungen an die Hand, mit denen sich darlegen lässt, wie Raum und Zeit auf die Anwesenheit großer Massen und Energien reagieren. Und so ist es eigentlich ein Treppenwitz der Geschichte, dass es ausgerechnet ein katholischer Priester namens George Lemaître ist, der den mathematischen Beweis dafür erbringen konnte, das die beobachteten Daten der Expansion eben nicht auf ein sich von UNS (als Zentrum des Universums) weg expandierendes Universum, eine Tatsache, die der Kirche sicherlich in die Hände gespielt hätte, hindeuten, sondern dass diese Beobachtungen tatsächlich an jedem Punkt des Universums gleich sind.

Wie ist das zu verstehen?
Nun, um das zu akzeptieren, muss man sich zunächst vom Bild der Explosion verabschieden. Drücken wir hier die Reset-Taste und beginnen noch einmal … naja nicht ganz von vorn:

Im Jahr 1842 entdeckte der österreichische Physiker Christian Doppler, dass Wellen, zum Beispiel die des Schalls, sich dehnen, wenn die Quelle sich vom Beobachter entfernt und sie komprimiert werden, wenn die Geräuschquelle sich auf den Beobachter zubewegt. Jeder kennt das Phänomen, wenn beispielsweise eine Feuerwehr auf uns zukommt und sich der Ton der Sirene schlagartig verändert (dumpfer wird) wenn sie an uns vorbei ist und sich von uns entfernt. Dieser nach dem Entdecker benannte „Dopplereffekt“ tritt bei allen Wellen auf, auch bei Licht.

Hubble bemerkte nun anhand einiger zuverlässiger Größen (die, wie sich später zeigen sollte, weit weniger zuverlässig waren, weshalb Hubble sich auch ordentlich verrechnet hatte), dass sich das Licht entfernter Galaxien ins Rote verschiebt, also die Wellenlängen größer werden. Daraus folgerte er trotz falscher Werte richtigerweise, dass sich alle Galaxien von uns entfernten und zwar wie bereits erwähnt umso schneller, desto weiter entfernt sie waren. Das Andromeda, unsere direkte Nachbar-Spiralgalaxie, hier eine Ausnahme darstellte, ist zunächst verwunderlich, aber absolut vereinbar mit der Relativitätstheorie Einsteins. Dazu später mehr.

Hierzu ein kleiner Einschub, da dieses Missverständnis häufiger auftritt: Es wichtig zu beachten, dass es sich bei dieser Rotverschiebung nicht um den eben erklärten Dopplereffekt handelt. Dieser tritt nämlich nur bei relativ zueinander bewegten Objekten auf. Die gemessene kosmologische Rotverschiebung der Galaxien rührt aber nicht von einer aktiven Bewegung dieser Galaxien im Verhältnis zu uns her. Diese sind bis auf gravitativ bedingte Bewegungen innerhalb ihres Galaxienhaufens weitgehend stationär. Die von Hubble beobachtete Rotverschiebung beruht ausdrücklich auf der Expansion des Raumes zwischen den Galaxien. Die Galaxien bewegen sich also nicht durch den Raum, sondern es entsteht „neuer“ Raum zwischen den Galaxien. Das ist deshalb von äußerster Wichtigkeit, weil wir später feststellen werden, dass die so gemessene Fluchtgeschwindigkeit sehr sehr weit entfernter Galaxien sehr hoch ist, was im Umkehrschluss bedeutet, dass sich noch weiter entfernte Objekte mit Überlichtgeschwindigkeit von uns entfernen. Dass das kein Verstoß gegen Einsteins spezielle Relativitätstheorie ist, liegt einfach daran, dass nicht die Objekte selbst sich bewegen. Wie das Kind heißt ist doch egal? Nein, denn bei der kosmologischen (durch Expansion bedingten) Rotverschiebung finden keine relativistischen (durch die allgemeine Relativitätstheorie vorhergesagten) Effekte statt, wie sie die durch eine Geschwindigkeit nahe der Lichtgeschwindigkeit auftreten würden. Eine kosmologische Zeitdilatation findet hingegen auch hier statt, da die sukzessive ausgesandten Photonen eine deutlich größere Wegstrecke zurücklegen müssen. Prozesse scheinen daher aus unserer Sicht bei solchen rotverschobenen Objekten zunehmend verlangsamt abzulaufen.

Dass im Vorfeld trotzdem der Dopplereffekt definiert wurde, hängt damit zusammen, dass Hubble seinerzeit gar nicht an ein expandierendes Universum dachte, sondern einfach seine Beobachtungen in der „Hubble-Konstanten“ niederlegte. Dass es sich hier um Expansion des Raumes handelte, bewies der bereits erwähnte Priester und Astronom George Lemaître. Aufgrund seiner Berechnungen und der Beobachtungen Hubbles ergab sich nämlich das Bild, dass Objekte, die doppelt so weit von uns entfernt sind, sich mit doppelter Geschwindigkeit und dreimal so weit entfernte sich mit dreifacher Geschwindigkeit von uns entfernten. Mit aktiver Bewegung durch den Raum ist diese Beobachtung nicht zu erklären.

Um sich das Phänomen klarer zu machen, sei die häufig verwendete Analogie des aufblähenden Luftballons erwähnt. Hier sei ein großer leicht aufgeblasener Luftballon gedacht, auf dessen Oberfläche Münzen geklebt sind. Bläst man den Ballon weiter auf, vergrößert sich der Abstand zwischen den Münzen, ohne dass sich die Münzen selbst auf der Oberfläche bewegen und zwar umso mehr, je weiter die Münzen voneinander entfernt sind. Auch in es unabhängig davon, welche Münze man betrachtet, der Effekt ist für alle Münzen gleich. Wichtig ist, dass nur die Oberfläche des Ballons betrachtet wird. In unserem Universum kommt für die Expansion eine weitere Dimension hinzu.

Um nochmal zu verdeutlichen, dass der diese Expansion für jeden Punkt im Universum gleich ist, das folgende Schema:

Vom Aussichtspunkt unserer Galaxie aus entfernen sich alle anderen Galaxien. Die die doppelt so weit entfernt sind, haben sich in derselben Zeit doppelt so weit entfernt … u.s.w. Verschiebt man den Aussichtspunkt auf eine beliebige anderen Galaxie, bleibt der Effekt derselbe. Solange kein Rand sichtbar wird, gilt diese Beobachtung für jeden Punkt im Universum. Eigene Arbeit, gemeinfrei

 

Nun wissen wir also, unser Universum dehnt sich aus. Es gibt also eine Kraft, die auf allergrößten Skalen (jene, auf denen die Gravitation zu schwach ist um ihr zu widerstehen) dafür sorgt, dass der Abstand zu weit entfernten Objekten immer größer wird. Alle diese Beobachtungen gelten, um das nochmal zu betonen, für ein Universum mit einer gleichförmigen Expansion. Was Wissenschaftler  in den vergangenen Jahrzehnten jedoch mithilfe so genannter Standardkerzen (Supernovae des Typs 1a oder Cepheiden) messen, ist schier unfassbar. Unser Universum scheint sich, nachdem die Expansionsgeschwindigkeit in den ersten sechs Milliarden Jahren nach dem Urknall kontinuierlich abnahm, seit etwa 7,2 Milliarden Jahren beschleunigt auszudehnen. Das wirft zwei Fragen auf. Warum tut es das und was bedeutet das für die Zukunft?

Nachtrag: Warum ist Andromeda eigentlich ins Blaue verschoben, bewegt sich also auf uns zu?

Irgendwelche Antwortvorschläge?

 

Demnächst Teil 2: Das beobachtbare Universum

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